Parnaíba Delta

Die Leere von gestern Abend ist wie vom Erdboden verschluckt. Wir befinden uns mitten zwischen unzähligen Läden, die man wegen der Rollos abends nicht als diese erkennen kann – mitten im Zentrum. Da unser Bus nach São Luis erst am Abend fährt, wollen wir einen Ausflug machen und gehen in einen der vielen Reisebüro artigen Läden, die diese Passeiros verkaufen. Wir buchen eine Fahrt durch das Flussdelta Parnaíbas. Parnaíba ist nur durch einen Fluss vom Dschungel getrennt, sobald man über eine Brücke fährt, gibt es nichts mehr außer der Straße. Kurz vor zwei werden wir am Hotel abgeholt und fahren eine gute halbe Stunde raus aus der Stadt, rein in den Urwald. An einem Anleger teilt sich die Gruppe auf zwei kleine Boote auf und wir schippern über den Rio Parnaíba. Das erste, was uns auffällt, ist die riesige Pflanzenvielfalt, die das Ufer auf beiden Seiten komplett bedeckt. Es gibt so viele Bäume, die ihre Wurzeln von oben in den Fluss wachsen lassen, geschmückt mit Schlingpflanzen und Wasserpflanzen. Das Wasser ist schlammbraun, da der Grund komplett aus feinem Sand besteht.

Als nächstes zeigt unser Bootsführer nach oben in die Bäume – da klettern munter zwei Äffchen in den Wipfeln herum. Es ist das erste Mal, dass wir Affen in freier Wildbahn sehen, einfach großartig. Auf einer Sandbank, an der wir vorbeifahren, stehen einige vollständig rote Vögel. Den Grund für die Farbe sehen wir bald, am Ufer auf den Steinen tummeln sich Krebse mit roten Scheren. Sie wuseln durcheinander und geben uns zu verstehen, dass der Stein ihnen gehört, also fahren wir weiter. Wir legen an einem Strand an einer sehr breiten Flussstelle an – hier gibt es wieder riesige Dünen wie in Jeri, die an die Wüste erinnern. Nach einer kurzen Fotosession laufen, beziehungsweise rutschen eher, die Düne herunter. Der Sand ist so fein, dass wir bergab auf ihm gleiten und jeder Schritt sich anfühlt, als würde man auf Wolken gehen. Unten angekommen gehen wir langsam ins Wasser und nehmen ein Flussbad – wenn auch mit gesunder Skepsis. Der Boden ist schlammig und rutschig, unter den Füßen fühlt er sich merkwürdig an. Dann geht die Fahrt weiter, doch wir halten recht bald vor einer kleinen Insel, wo bereits andere Boote stehen, und unser Guide wirft den Anker – da er leider nur Portugiesisch spricht können wir nicht fragen, was genau wir hier tun.

Es ist kurz vor Sonnenuntergang und nach ein paar Minuten kommt ein Schwarm der roten Vögel, welche wir vorher beobachtet hatten, und lässt sich auf den Bäume der Insel nieder. Aus einer anderen Richtung kommt ein weiterer Schwarm, noch deutlich größer, kreist kurz und verteilt sich auf Bäume und Sträucher. Innerhalb der nächsten zwanzig Minuten kommen so viele Vögel aus allen möglichen Richtungen, dass die Insel bald aussieht, als würden dort ausschließlich rote Mohnblumen wachsen. Der Schlafplatz der roten Vögel des Parnaíba Deltas.

Jetzt geht es zurück über den Fluss Richtung Anleger, Richtung Zivilisation. Während wir fahren wird es immer dunkler und wir sind froh, dass unser Kapitän den Weg kennt. Nach einer Dusche im Hotel geht es mit dem Bus über Nacht in der Liegeklasse „leito“ weiter nach São Luis.